Die Erfindung - Die "Torpedo"-Radnabe
Torpedo in Sicht". Im Frühsommer des Jahres 1903 erscheint in Dutzenden deutscher Zeitungen ein großes Inserat mit diesen drei Worten. Sonst nichts. Wenige Tage später wird berichtet, dass eine Kolonne von Radfahrern am Stilfser Joch in der Schweiz mit "ungewohntem Tempo dahersaust, obwohl sie die Beine nicht bewegen". "Torpedo bereits 8000 Kilometer zurückgelegt", hieß es wenig später, und schließlich lüftete Ernst Sachs das Geheimnis. Acht Jahre hatte der begeisterte Radrennfahrer und begnadete Konstrukteur viele Nächte am Reißbrett und in seiner Werkstatt verbracht und jetzt war sie fertig: eine neue Fahrradnabe, die drei Funktionen zusammenführt: Antrieb beim Vorwärtstreten, Freilauf beim Stillstand der Kette, Bremsen beim Rückwärtstreten.
40 Jahre später, als gerade die fünfzigmillionste Torpedo-Nabe das Werk in Schweinfurt verlassen hatte, verriet sein Sohn Willy Sachs, wie es zum Namen für das Erfolgsprodukt gekommen war. Der Torpedo, als Unterwasser im russisch-japanischen Krieg eingesetzt, war als Wunderwaffe damals in aller Munde.
Ernst Sachs war nämlich nicht allein ein großer Tüftler, er verstand auch etwas von Marketing. Und beides traf auf einen Fahrrad-Markt, der sich boomartig entwickelte. Innerhalb von drei Jahren stieg der Absatz auf 382 000 Naben. Inzwischen war die Zwei-Gang-Nabe erfunden, 1913 folgte die Drei-Gang-Nabe, die noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts Standard in vielen Fahrrädern war.
Für Schweinfurt wurde mit der Erfindung von Ernst Sachs ein Stück wirtschaftlicher Erfolgsgeschichte geschrieben. Neben der Wälzlager-Industrie war für Jahrzehnte die Produktion von Fahrradkomponenten ein wichtiger Faktor. 1911 beschäftigte Fichtel & Sachs - Kompagnon Karl Fichtel finanzierte das Unternehmen und war der Kaufmann im Unternehmer-Duo - bereits 2600 Mitarbeiter. Schweinfurt war zur Fahrradstadt geworden.
Wer hat sich noch nicht über ölverschmierte Finger geärgert, wenn er die beim Schalten abgesprungene Fahrradkette wieder aufziehen musste? Bei Nabenschaltungen kommt so etwas nicht vor und gewartet werden müssen sie auch nicht. Auch muss man Schalten nicht erst lernen. Naben können nämlich auch unter Last oder im Stillstand bedient werden. Und was besonders wichtig ist: Rücktrittsbremsen funktionieren immer.
Inzwischen gibt es Nabenschaltungen mit bis zu zwölf Gängen, womit sie so leistungsfähig wie Kettenschaltungen sind. Das amerikanische Unternehmen SRAM, das 1999 die Fahrradkomponenten-Fertigung von Sachs übernommen hat, ist nicht nur Technologieführer, sondern hat im Schweinfurter Maintal auch eine der modernsten Fahrrad-Komponenten-Fertigungen der Welt gebaut.